Endstation Burnout – die schleichende Gefahr

Jan 9, 2017

Der Schock

Es ist ein kalter Januartag. Ein sehr enger Freund aus meiner Jugend hat heute Geburtstag. Wir hatten über viele Jahre keinen Kontakt. Erst vor mehr als einem Jahr hat er mich über Facebook wiedergefunden. Er lebte in Spanien.

Ich ging auf seine Chronik, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Ich war irritiert. Ich fand dort viele Bilder mit roten Rosen, die meisten Nachrichten waren auf Spanisch. Ich fand auch ein paar Englische Kommentare. Kondolenzwünsche.

Ich begann zu recherchieren. Ich fand heraus, dass mein Freund bereits im Frühjahr des letzten Jahres seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hat. Die Vermutung: Depressionen.

Selbstmord als Ausweg

Bei unserem ersten Kontakt habe ich meinem Freund erzählt, wie es mir so geht und was in den letzten 20 Jahren in meinem Leben so alles passiert ist. Ich erzählte ihm auch von meinem Burnout, dem Aufenthalt in der Klinik und meinen Plänen als Coach anderen Menschen zu helfen aus der Stressspirale auszusteigen und einen Weg zurück ins Leben zu finden.

Ich war überrascht. Auch er hatte vor einigen Monaten einen Burnout. Er würde niemals in eine Klinik gehen. Schon allein die Vorstellung war ein absolutes No-Go für ihn. Er hat sich einfach in den Hintern getreten und seitdem läuft es bei ihm wieder.

Ich dachte wow, das hätte ich nicht geschafft. Ich dachte eine Weile darüber nach. Bin ich einfach zu weichlich? Hätte einen Tritt in den Hintern mir auch geholfen? Diesen Gedanken gab ich allerdings sehr schnell wieder auf. Ich war froh, dass ich die Hilfe, die mir angeboten wurde, angenommen hatte. Schließlich war ich mit meinem Weg sehr erfolgreich und bin es noch.

Irgendwann fragte ich ihn, wie es ihm nach seinem Umzug von Mallorca auf das spanische Festland ging. Er hat, seit ich ihn kannte, davon geträumt auszuwandern, irgendwo ans Meer. Mallorca war es wohl nicht gewesen. Vielleicht hat er auf dem Festland das gefunden, nach dem er suchte. Ich bekam keine Antwort mehr. Ich dachte, ich sei ihm zu nahegetreten und hörte auf zu schreiben. Bis zu diesem Tag im Januar.

In den Hintern treten oder Hilfe annehmen?

Sich selbst in den Hintern treten ist manchmal wichtig und gut. Wenn du jedoch so tief in der Erschöpfung bist, dass du selbst deinen Alltag nicht mehr meisterst, dann hast du dir vermutlich schon solange selbst in den Hintern getreten, dass es einfach mal Zeit ist damit aufzuhören!

Dann ist jedes Symptom, das sich entwickelt, ein Zeichen deines Körpers und deiner Seele, die dich anschreit:

„Mach es anderes. Ich kann und will das nicht mehr.“

Und was machen wir? Ich war damals so damit beschäftigt mir in den Hintern treten, dass ich meinem Körper und meine Seele nicht mehr gehört habe. Und wurden die Rufe meines Körpers lauter, habe ich einfach stärker getreten.

Der allererste Schritt heraus aus dem Schlamassel ist jedoch erst einmal innehalten und hinhören.

Unser Körper und der Zustand unseres Lebens sagt uns genau, was nicht stimmt.

Die Stufen des Burnout nach Freudenberger

Ich habe tatsächlich alle 12 Stufen eines Burnouts durchlaufen. Ich habe auch Phasen der Depression durchlebt und auch die völlige Erschöpfung habe ich kennengelernt. Durch verschiedene Erfahrungsberichte von meinen Klienten und anderen Betroffenen habe ich allerdings auch gelernt, dass ich noch nicht die völlige Erschöpfung in all ihren Facetten erfahren habe.

Wo bist du?

  • Stehst du noch mitten im Leben oder hast du dich schon zurückgezogen?
  • Fällt es dir immer schwerer mit anderen Menschen in Beziehung zu treten?
  • Ist der Kontakt mit deinen Freunden ehr eine Last als eine Entspannung?

In der Falle

In diesem Zustand der völligen Erschöpfung macht das Leben gefühlt keinen Sinn mehr. Es gab für mich keine Beziehung mehr nach außen. Was fast noch schlimmer ist, es gab auch keine Beziehung mehr zu mir selbst. Ich empfand das Leben, meine Beziehungen und mich selbst als Last. Und ich wusste, dass ich auch für mein Umfeld, meine Beziehungen, meinen Partner eine Last war. Ich fühlte mich in der Falle. Und der Weg heraus schien mir völlig verstellt.

Ein häufige Formulierung von Betroffenen: „Ich sitze im Loch und weiß nicht wie ich wieder herauskomme.“

Der Weg heraus beginnt mit Innehalten, Ehrlichkeit und einer Entscheidung

Heute weiß ich: Es gibt in jedem Moment und an jedem Punkt, an dem ich bin, eine Lösung. Es gibt immer die Möglichkeit auszusteigen. Es ist meine Entscheidung, ob ich es möchte.

Der zweite Schritt nach dem Innehalten und Zuhören ist die Ehrlichkeit mit dir selbst. Suche dir Hilfe. Wenn du bereits an dem Punkt bist, dass du nicht mehr weißt wie du deinen Alltag bewältigen sollst, rufe deinen Hausarzt an oder einen Freund, der das für dich tut.

Bist du selbst noch aktiv und dein Leben hat jedoch regelmäßig erhebliche Dellen aufzuweisen, nimm dir eine Auszeit. Überlege dir, was du künftig anders machen möchtest.

Wie kannst du innehalten und einen ehrlichen Blick auf dein Leben werfen?

  • Brauchst du eine Auszeit auf einer einsamen Insel?
  • Die Weitsicht auf den Gipfeln der Berge?
  • Hilfe in einer Klinik oder einen Therapeuten?
  • Unterstützung durch einen Coach?

Was ist dein Weg?

Wichtig ist, dass du es für dich herausfindest: Was ist der Engpass in deinem Leben? In der Regel gibt es einen dominierenden, der Rest ist lediglich Ursachen.

  • Wo ist dein Engpass? Ist es die Zeit? Ist es deine Arbeit? Ist es deine Beziehung?
  • Mit was verbringst du deine Zeit? Was davon nimmt und was gibt dir Energie?
  • Sind deine Ziele wirklich deine Ziele oder die Erwartungen der anderen?
  • Was tust du wirklich gerne und was tust du, um anderen zu gefallen?
  • Wie gehst du durchs Leben? Was wünschst du dir vom Leben?
  • Was darf in deinem Leben bleiben und was muss sich verändern?
  • Was ist dir wirklich, wirklich wichtig?

Sei gnädig mit dir

Du darfst zu dir selbst großzügig sein. Du bist ein wunderbarer und wertvoller Mensch. Du bist nicht falsch, lediglich dein Verhalten hat dich in diese Situation gebracht. Und Verhalten lässt sich ändern.

Es gab eine Zeit, in der dieses Verhalten einen tieferen Sinn hatte. Diese liegt wahrscheinlich sehr weit in deiner Vergangenheit und ist auch nicht wirklich wichtig. Wichtig ist ob dein Verhalten heute zielführend ist.

Wir können Dinge nicht einfach wegmachen. Wir können sie jedoch durch ein neues und zielführendes Verhalten ersetzen.

Deshalb ist es so wichtig uns klar zu werde, was wir wirklich, wirklich wollen. Somit steht der Weg für ein glückliches, zufriedenes und kraftvolles Leben offen.

 

Das Leben ist schön.

Herzliche Grüße,

Silke Wolf