Wer kennt diese Glaubenssätze nicht?
- „Du willst etwas erreichen? Dann streng dich an.“
- „Nur wenn ich mich angestrengt habe, ist meine Arbeit auch etwas wert.“
- „Nach dieser Anstrengung haben wir uns eine Belohnung verdient.“
- „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Der erste Zusammenbruch
Ich saß zusammengesunken in der Ecke unseres Büros auf der Heizung und starte die Wand an. Es ist Sonntagabend 20 Uhr. Es laufen die letzten Tests. Bereits seit heute Morgen um 7:30 Uhr bin ich im Büro.
„Gehe doch nach Hause!“ sagt mein Kollege, der mich bei den organisatorischen Dingen unterstütze.
„Ich kann nicht nach Hause. Wenn etwas passiert, muss ich da sein. Außerdem kann ich meine Mitarbeiter bei diesem kritischen Go-Live nicht alleine lassen.“ Ich konnte ja noch sitzen. Ob ich hier saß oder zu Hause mich schlaflos im Bett wälzte, war eigentlich egal.
In den letzten 6 Wochen habe ich jedes Wochenende durchgearbeitet. Zusätzliche 20 Stunden zu den 50 bis 60 Stunden unter der Woche. Wir haben das Unmögliche möglich gemacht und dieses Projekt gestemmt. Jetzt saß ich starrend auf der Heizung und war zu nichts mehr fähig. Mir liefen die Tränen herunter.
„Mensch, jetzt gehe doch endlich nach Hause. Ich fahr dich auch.“
Soweit kommt es noch. „Nein, wenn, kann ich alleine fahren.“ Ich rufe meinen Partner an. Ich breche sofort in Tränen aus, als ich seine Stimme höre. Er schafft es mich zu überzeugen, dass es für heute gut ist. Es geht ja morgen in aller Früh gleich wieder weiter.
Mehr als 10 Jahre später
Mein Zusammenbruch ist schon sehr lange her. Heute bin ich beim Laufen. Endlich habe ich einen Weg gefunden wieder regelmäßig zu joggen, ohne von meinem Körper sofort die rote Karte gezeigt zu bekommen.
Und jetzt habe ich es endlich verstanden warum! Dieselbe innere Haltung „streng dich an“ und „halt durch“, die ich in meinem Job lebte, lebte ich auch bei meinem Sport. Immer am Limit. Es muss weh tun, damit es etwas bringt.
Mein Körper hat die Zeit des Burnout nicht vergessen. Nach all den Jahren reagiert er immer noch empfindlich darauf, wenn ich über meine Grenzen gehe. Der Körper vergisst nicht. Ja, und es ist gut so. Mein Körper schützt mich davor ihm noch mal so etwas anzutun. Ihn noch einmal bis in die völlige Erschöpfung zu treiben.
Getreu dem Motto: „Ich kann noch auf den Beinen stehen. Deshalb kann ich auch noch arbeiten.“
Das ist ein fataler Irrtum
Wachstum und Leistung braucht regelmäßige Pausen
Gerade der Sport ist das perfekte Beispiel dafür, dass nur mit Pausen eine Leistungssteigerungen möglich sind. In jedem Buch über Lauftraining steht das geschrieben. Intervall Training ist der effektivste Weg die Leistung zu steigern. Und die Phasen der Anstrengung sind weniger und kürzer als die Phasen der Entspannung.
Ich habe schon früher Intervalltraining beim Laufen versucht. Ich bin bereits am Anschlag losgelaufen, was für die Distanz eigentlich schon zu schnell und gerade noch möglich war und habe dann mein Tempo noch erhöht. Kein Wunder, dass mein Körper mich schnellst möglich mit einem Infekt zur Ruhe gezwungen hat.
Auch unser Gehirn braucht Pausen
Schon im Studium gab es diesen inneren Antreiber „Streng dich an“. Früher konnte ich keine Pause machen, bevor meine Aufgabe erledigt war. Ich saß beim Lernen oft den ganzen Tag vor meinen Büchern. Ich habe mir nicht erlaubt etwas anderes zu tun. Etwas, das mir Spaß gemacht hätte. Ich musste lernen. Beim Studium ist das ungünstig. Der Umfang des Lernstoffes ist wie ein Fass ohne Boden. Das heißt vor einer Prüfung saß ich täglich 8 bis 10 Stunden vor meinen Büchern.
Das Ergebnis war suboptimal. Ohne Pausen ist unser Gehirn einfach nicht mehr aufnahmefähig und das Lernen macht wenig Sinn. Was bleibt, ist das Gefühl sich angestrengt zu haben. Und regelmäßig nach den Klausuren lag ich mit 40 Grad Fieber im Bett. Wie doch in der nachträglichen Betrachtung alles zusammenpasst.
Den eigenen Körper spüren und Grenzen achten
Irgendwann begann ich täglich zu meditieren. Ich machte mich auf die Suche was meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele gut tut. Und so bin ich beim Qi Gong gelandet. Die Bewegungen taten mir gut und ich kam in die Ruhe.
Über zwei Jahre habe ich täglich meine Übungen gemacht und trotzdem musste ich mich immer überwinden. Mich anstrengen es zu machen. Passend zu meinem Lebenskonzept. Irgendwann kann ich auf die Idee, es gibt doch noch mehr: Thai Chi, Yoga, …
Warum sich anstrengen, wenn es Dinge gibt, die mir guttun und gleichzeitig leicht gehen?
Nach meiner ersten Yogastunde war ich überzeugt: das ist es. Seitdem gehe ich nicht nur wöchentlich zum Yoga, sondern ich mache jeden Morgen meine Yogaübungen und ich liebe es. Ich liebe es meine alte Beweglichkeit wieder zu spüren und meinen Körper auf eine ganz neue Art kennenzulernen und zu beherrschen. Meine Yogalehrerin macht mich auch immer wieder darauf aufmerksam, wenn ich wieder einmal dem Leistungsgedanken verfalle.
Das eigene Tempo finden
Auch beim Laufen habe ich nun die Erlaubnis mir es leicht zu machen. Ich habe aufgehört nach der Puls-Uhr zu laufen. Ich laufe jetzt ohne Anstrengung. Ich habe wieder gelernt zu spüren, wann es meinem Körper gut geht. Ich kann mit meinem jetzigen Tempo ganz bequem die schneebedeckte Landschaft genießen.
Ich habe gelernt mein Tempo zu finden. Ich habe akzeptiert, dass ich nach der langen Pause langsam beginnen darf. Es fühlt sich toll an und meinem Körper geht es wunderbar.
Anspannung und Entspannung als Würze des Lebens
Das heißt nicht, dass ich keine Ziele habe. Wenn ich soweit bin und mein Körper wieder vertrauen in meine Entscheidung gefasst hat, werde ich sicher mit dem Intervall-Training beginnen. Genauso wie ich auch jetzt beruflich wieder Erfolg habe. Auch als Selbständige habe ich nicht wenig Arbeit. Nein, ganz und gar nicht. Ich mache meine Arbeit heute lediglich mit einer anderen Haltung.
Arbeit darf Spaß machen und leicht gehen. Und ich achte zusätzlich auf regelmäßige Pausen.
Mir etwas Gutes zu tun, zum Beispiel zum Yoga zu gehen, zu meditieren, am Sofa sitzen und aus dem Fenster schauen, Laufen gehen, ein gutes Buch lesen, mich mit inspirierenden Menschen treffen, Zeit mit meiner Familie verbringen oder ein leckeres Essen genießen.
Das sind Dinge, die gehören heute fest in meinen Alltag. Egal wieviel ich zu tun habe. Ich werde diese tragenden Säulen nie mehr aus meinem Leben verbannen. Sie unterstützen mich auch in meiner Arbeit. Wenn Körper, Seele und Geist im Einklang sind, bin ich viel fokussierter und somit effektiver. Ich erledige meine Arbeit in wesentlich kürzerer Zeit.
Sie wissen nicht, wo Sie mit Ihrer Arbeit anfangen sollen? Machen Sie eine Pause!
Vor ein paar Tagen habe ich mir ein Video von Veit Lindau angesehen. In dem erklärte er: „Wenn ich das Gefühl habe, dass es anstrengend wird, und ich nicht mehr weiß, wo ich anfangen soll, gehe ich in die Badewanne oder Eis essen oder tue mir sonst irgendetwas Gutes.“
Im Stress verlieren wir den Fokus, alles dauert viel länger und wird in der Regel nicht gut. Gönne Sie sich eine Pause und tuen Sie sich etwas Gutes, dann geht es im Anschluss mindestens doppelt so schnell und wird richtig gut. Probieren Sie es aus!
Resilienz hilft uns unnötige Anstrengungen zu erkennen und zu meiden
Resilienz stärkt die eigene Selbstwahrnehmung, fördert die Fähigkeit uns selbst zu führen und hilft uns flexibel auf Veränderungen und jegliche Art von Herausforderungen zu reagieren. Wir erkennen klar, wann Anstregung sinnvoll und zielführend ist und wann nicht. Manchmal ist die Anstrengung die Würze im Leben. Und jedes gute Essen besteht nicht nur aus Würze.
- An welchen Stellen oder in welchen Bereichen Ihres Lebens können Sie es sich leichter machen?
Oft schlagen sich Verhaltensweisen in mehreren Lebensbereichen nieder. Wer im Sport immer am Anschlag trainiert, geht auch oft im Beruf weit über seine Belastungsgrenze. - Wo könnten Sie effektiver sein, wenn Sie mit Ruhe und Gelassenheit an die Aufgabe gehen?
- Wann haben Sie das Gefühl, dass Sie stundenlang gearbeitet und nur wenig geschafft haben?
- Gibt es Tage, an denen Sie nur wenig Zeit haben, und in dieser knappen Zeit schaffen Sie gefühlt die ganzen Aufgaben des gestrigen Tages?
- Wieviel Wert hat für Sie eine Aufgabe, wenn es Ihnen leichtgefallen ist?
- Darf Arbeit überhaupt leicht sein oder ist es dann keine Arbeit für Sie?
- An welchem Ort arbeitest Sie? Haben Sie eine angenehme Arbeitsatmosphäre? Sitzen Sie bequem?
- Trinken Sie genügend Wasser? Ein Gewichtsverlust in Form von nur 2 % Flüssigkeit führt bereits nachweislich zu Einschränkungen der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit (Armstrong und Epstein, 1999).
- Sorgen Sie gut für sich oder nehmen Sie sich dafür eher keine Zeit?
Herzliche Grüße und vergessen Sie nicht: Leben und Arbeiten darf auch mal leicht gehen.