Stress – Geniale Erfindung der Natur und Fallstrick der modernen Zeit

Mrz 20, 2017

Die Suche nach dem Kick

Ich stehe am Rand einer Felswand. In mir tobt eine Diskussion:

„Komm spring schon! Es sind schon so viele vor dir gesprungen. Die Guides wissen, was sie tun.“

Meine Sinne sind total geschärft. Ich nehme jeden Felsvorsprung, das Rauschen des Wassers und den Wind um mich herum extrem deutlich war. Mein Puls steigt, mein Muskeln sind angespannt.

„Bist du des Wahnsinns! Siehst du den Felsvorsprung? Was ist, wenn du es nicht schaffst über ihn hinauszuspringen? Das bedeutet das Ende. Warum musst du eigentlich immer überall dabei sein? Alle anderen Frauen sind wohlweißlich unten geblieben. Nur du stehst wieder einmal mitten drin.“

„Ich glaube du übertreibst. Es sind schon so viele vor uns gesprungen, und im Übrigen habe ich keine Lust mehr auf diese Diskussion. Ich springe jetzt.

Um meine inneren Stimmen zu übertönen, springe ich mit einem lauten Schrei dem Wasserfall entlang 10 Meter in die Tiefe. Ich tauche in das angenehm kühle Wasser ein. Als ich wieder auftauche jubelt alles in mir.

„Ich habe es gemacht. Ich habe mich getraut und ich habe es geschafft. Und ich muss gleich noch mal rauf.“

Das Wachstum nach dem Stress

Nach dem erfolgreichen Sprung wird mein Körper mit Serotonin, Noradrenalin und Endorphinen geflutet. Serotonin sorgt für das Glücksgefühl, Endorphine erhöhen meine Leistung und lassen mich gleich noch mal nach oben klettern und das Noradrenalin sorgt für das Wachstum meines Gehirns und legt eine neue Verschaltung in meinem Gehirn an, in der die positive Erfahrung der Stressbewältigung gespeichert und für die Zukunft nutzbar gemacht wird.

Stress sorgt für Wachstum. In dem wir uns kontrolliert Stress aussetzen und diesen erfolgreich bewältigen, kann unser Hirn wachsen. Wir werden besser und erweitern unsere Komfortzone.

Die Definition von Stress

Hans Selye gilt als Vater der Stressforschung. In der Zusammenfassung seines Lebenswerkes bemerkte Selye „Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt – Stress“. Vor den 1930er Jahren gab es in unserer Gesellschaft keinen Ausdruck für Stress.

„Stress ist die unspezifische Reaktion des Körpers auf jede an ihn gestellte Anforderung.“
Hans Selye

Hans Selye erkannte auch, dass es zwei verschiedene Arten von Stress gibt. Es gibt Eu-Stress, der uns beflügelt, und den Dis-Stress, der uns ausbremst und am Ende ausbrennt.

Stress liegt im Auge des Betrachters

Vor kurzem war ich mit meinem Mann, einem begeisterten Bergsteiger, bei einem Vortrag von Ueli Steck. Ein Bergsteiger der besonderen Art. Dieser kletterte selbst die Annapurna ohne Sicherung und alleine. Der Mann auf der Bühne hat mich sehr fasziniert. Schon die Vorstellung einen 8000er zu besteigen ist weit außerhalb meiner heutigen Komfortzone. Das Ganze auch noch ohne Sicherung und alleine übersteigt alle meine Vorstellungen. War es für Ueli Steck Stress? Bestimmt! Er brauchte mit Sicherheit das Adrenalin für den Fokus, die Konzentration und die Aktivierung aller Reserven, um dieses Unternehmen zu stemmen. War es Disstress? Nein, das glaube ich nicht.

Was macht Stress zum Dis- bzw. Eustress?

Ob Stress positiv oder negativ empfunden wird, liegt nur an uns und unserer inneren Haltung, unseren Erfahrungen und unserer körperlichen Fitness. Warum war es für Ueli Steck mit größter Wahrscheinlichkeit Eustress?

  • Die Bewertung der Stressfaktoren war mit Sicherheit positiv. Es war sein lang gehegter Traum, den er sich erfüllen konnte.
  • In seinem Vortrag kam klar zum Ausdruck, dass er sich der Situation absolut gewachsen füllte.
  • Er begab sich freiwillig in diese Situation.
  • Er benötigte für den Aufstieg 17 Stunden und für den Abstieg 11. Das mag für die meisten für uns eine unglaublich lange Zeit sein. Für ihn war es eine überschaubare Zeit. Der Stress hatte für ihn ein ganz klares Ende.

Stress- eine geniale Erfindung der Natur

Um das Überleben zu sichern, waren bereits mit den ersten Wirbeltieren Notfall-Programme entstanden, die im Gehirn bei Gefahr Signalstoffe produzierten, welche ins Blut abgegeben werden.

Die hormonelle Stressreaktion ermöglicht uns die letzten Reserven unseres Körpers zu mobilisieren. Sei es der Angriff eines Säbelzahntigers oder einer Nachbarsippe, die es auf der Suche nach Nahrung nicht gut mit potentiellen Konkurrenten meinten.

Immer wenn in der Außenwelt lebensbedrohliche Veränderungen aufgetreten sind, wurde dieses Programm ausgelöst. Durch die Flucht oder den Kampf wurden Stresshormone abgebaut und die anschließende Ruhephase hat das Gehirn und unser gesamtes System wachsen lassen, um künftig ähnliche Gefahrensituationen besser zu meistern.

Was ist heute anders?

Heute häufen sich die Stressreaktionen. Wir hetzen aus dem Haus. Quälen uns durch den Verkehr mit der Sorge zu spät zu kommen. Wir sitzen in Meetings. Beantworten nebenbei Emails. Machen Pläne, während wir unsere vielen anderen Aufgaben erledigen und wissen nicht, wie wir unsere Termine halten sollen. Kaum ist etwas fertig, steht schon die nächste Änderung vor der Tür und es geht weiter.

Unser Körper hat keine Zeit mehr die angesammelten Stresshormone abzubauen.

Haben wir heute Stress, besonders im Job, ist es selten eine Option zu fliehen oder sich in einen Kampf zu stürzen. Wir ärgern uns, sind wütend oder wir haben Angst und müssen trotz allem die Contenance wahren.

In unserer Gesellschaft hat Leistung, Ordnung, Ansehen, Geld oder beruflicher Erfolg einen hohen Stellenwert. Oft fehlt uns die Zeit eine wirkliche Beziehung zu den Menschen in unserer Umgebung aufzubauen.

Wir sitzen immer mehr, bewegen uns immer weniger und wir nutzen immer weniger die entspannende Wirkung der Natur. Ohne Bewegung kann der Abbau von Stresshormonen bis zu 48h dauern.

Das Freizeitangebot wird immer größer. Entweder hetzen wir von Angebot zu Angebot oder wir sind schon so erschöpft, dass wir uns nicht mehr von der Coach bewegen können und beim Fernsehen das Leben, Scheitern und das Glück anderer Menschen leben.

Der Grund-Stress-Level ist heute für viele Menschen erhöht

Es gibt einige Faktoren unserer Kultur, die für unseren Körper einen gewissen Grund-Stress-Level bedeuten.

  • Wir konsumieren immer mehr hochverarbeitete Lebensmittel und Softdrinks. In diesen gibt es jede Menge Zusatzstoffe, die unser Körper nicht kennt. Die großen Mengen an Zucker, Gluten, Kaffee etc. belasten unseren Körper und bedeuten Stress auf zellulärer Ebene.
  • Die Verschmutzung unserer Umwelt durch Abgase und Düngemittel bedeutet Stress für unsere Lunge und unsere Verdauung.
  • Die wachsende Lärmbelästigung durch unseren Straßenverkehr bedeutet ebenfalls Stress für unser System.

Dauerstress führt zum Untergang

Weicht die Stresssituation nicht, entsteht Dauerstress und irgendwo brennt im Körper eine Sicherung durch. Dieses passiert heute noch genauso wie früher und bei Tieren ist dies nicht anders als bei Menschen.

  • Dauerstress führt zu Tod durch stressbedingte Krankheiten (Stress unterdrückt die körpereigene Abwehr)
  • Dauerstress führt zu stressbedingter Unfruchtbarkeit (Stresshormone unterdrücken auch die Produktion von Geschlechtshormonen)

Resilienz schützt uns vor negativen Stress

Resilienz hilft uns flexibel auf Stress und jegliche Art von Herausforderung zu reagieren. Das heißt, dass wir auch in Krisensituationen oder auf Veränderungen angemessen reagiert und selbst, wenn wir mal stolpern, nicht nur wieder aufsteht, sondern auch noch gestärkt daraus hervorgehen.

Sie ist ein Schutzschild gegen Belastungen und die Basis für ein gesundes, effektives und zufriedenes Leben und Arbeiten.

Wir schützen uns vor Stress,

… wenn wir wie die Leistungssportler für die Balance zwischen An- und Entspannung sorgen. Befinden wir uns im Gleichgewicht, profitieren wir von Stress und können mit jeder Erfahrung wachsen.

…wenn wir gezielt und regelmäßig Neues lernen. Das macht uns flexibel und gibt uns Selbstvertrauen unbekannte Situationen zu meistern.

… wenn wir die Verantwortung für uns und unser Leben übernehmen. Dann fühlen wir uns als der Schöpfer unseres Lebens und nicht als das Opfer der äußeren Umstände.

… wen wir Sie sich selbst kennenlernen. Was sind Ihre Ziele, was ist Ihnen wirklich wichtig? Was sind Ihre unbewussten Muster? Nur so können Sie gute Entscheidungen für Ihr Leben treffen.

… wenn Sie anstatt am Abend auf dem Sofa zu sitzen, vielleicht doch noch mal raus in die Natur gehen. Es muss nicht immer anstrengend sein. Gerade Spazierengehen, Yoga oder Ähnliches ist wunderbar für Ihren Körper und für die Entspannung.

… wenn wir öfter mal im Hier und Jetzt sind. Es muss nicht immer Meditation sein. Präsent zu sein geht auch gut beim Spielen mit den Kindern oder beim Duschen, wenn Sie jeden einzelnen Wassertropfen auf Ihrer Haut spüren.

Es gibt kein Leben ohne Stress. Es geht darum, dass wir das was bereit gut ist mehr genießen und mit dem unangenehmen Ereignissen einen angemessenen Umgang finden und diese für unser eigenes Wachstum nutzen.

 

Herzliche Grüße,