Der Tanz des Lebens oder Zielzustände einer individuellen Transformation

Nov 8, 2024

Vor der Transformation

Ich bin 17 Jahre und stehe auf der Tanzfläche. Wie immer versuche ich mich in der Menge zu verstecken. Nur nicht auffallen. Lacht der Typ da drüben gerade über mich? Ich kontrolliere meine Bewegungen und versuche mich anzupassen, um in der Menge der sich bewegenden Leiber nicht negativ aufzufallen.

Ich öffne meine Augen und dann sehe ich ihn. Den Typen, wegen dem ich gerade so unglaublich leide. Er ist mir nahegekommen, um mir anschließend zu eröffnen, dass er in einer festen Beziehung ist. Ich habe Liebeskummer. Ich sehe ihn die Treppe herunterkommen und an seiner Seite geht seine Freundin. Es tut weh. Wie ein Messer durchzuckt mich Eifersucht, Scham, Wut und Enttäuschung. Alles auf einmal. Ich habe das Gefühl, ich muss sterben. Ich schließe meine Augen und fokussiere mich auf die Musik.

Der Moment der Transformation

In dem Moment ist es mir völlig egal, was andere von mir denken. Es ist egal ob irgendjemand über mich lacht. Ich merke nur, dass die Musik und das Tanzen mir hilft ganz bei mir zu sein. Mich zu fühlen. Alle Gefühle wahrzunehmen. Sie da sein zulassen. Sie zu fühlen, ohne das Gefühl sie ertragen zu müssen und nicht mehr ertragen zu können. Durch meinen Tanz gelingt es mir dem ganzen Gefühlschaos in mir einen Ausdruck zu verleihen.

Der Tanz des Lebens – Akzeptanz und Hingabe an alles, was ist

Wenn ich tanze, habe ich das Gefühl, die Musik ist ein Teil von mir und es ist, als würde sie mich tanzen. Ich bin völlig im Hier und Jetzt. Mein Körper bringt das, was durch den Klang der Musik in mir an Gefühlen und Energien entsteht, zum Ausdruck. Ich gebe die Kontrolle ab. Es entsteht völlige Hingabe an das, was ist.

Da ist kein Überlegen. Keine Fragen wie „Was kommt jetzt? Welche Bewegung passt? Was will ich ausdrücken?“ Es kommt von ganz allein.

Das ist für mich das perfekte Bild einer gelungenen Transformation. Ich tanze das Leben. Vielleicht sogar besser: Das Leben tanzt mich und ich gebe mich hin an alles, was ist. Alles darf sein.

Präsenz als Basis für echte Transformation

Präsenz bedeutet mit allen Sinnen anwesend zu sein. Das heißt nicht nur äußerlich, sondern auch im Inneren. Zu fühlen und wahrzunehmen was ist, ohne es loswerden zu wollen oder es zu bewerten.

Mein Qigong Lehrer hat es so beschrieben: Wenn wir unser Bewusstsein in zehn Teile zerlegen, dann bleiben sieben Teile unserer Aufmerksamkeit bei uns und nur drei richten wir ins Außen, auf die Person, mit der wir zusammen sind, oder auf das, was wir gerade tun.

Oft entsteht die Frage: Ist es nicht egoistisch, wenn ich zu sieben Teilen bei mir bin und nur zu drei bei meinem Gegenüber?

Interessanterweise ist das ein häufiges Missverständnis, dass wir uns für andere Menschen aufgeben müssen. Beziehung bedeutet eine Bewusstseinserweiterung. Es heißt, dass wir uns im anderen Erkennen können. Wie soll das funktionieren, wenn bei meinem Gegenüber keiner zu Hause ist?

Sind wir zu viel im Außen, erleben wir Erschöpfung und Zerstreuung. Dann sind wir kein guter Zuhörer oder Gesprächspartner. Unser Gegenüber kann uns nicht wirklich spüren, da wir unser Bewusstsein in alle Himmelsrichtungen oder heute ins World Wide Web zerstreut haben.

Nur wenn wir bei uns und unserer Wahrnehmung bleiben, haben wir eine stabile Bindung zu uns selbst und können diese auf die Menschen um uns herum ausweiten. Damit fühlt sich unser Gegenüber nicht nur gesehen, sondern wir können auch uns selbst sehen und uns in unserem Gegenüber erkennen und so gemeinsam wachsen.

Akzeptanz und Hingabe – Widerstände zeigen uns den Weg

Die völlige Hingabe an das Leben, an das, was ist. Ohne Widerstand … nein auch der Widerstand ist Teil des Lebens. Auch er darf da sein. In dem Moment, in dem wir unsere Widerstände erkennen, sie wahrnehmen und annehmen als das, was sie sind, geschieht, etwas sehr Interessantes: sie verschwinden, sie lösen sich auf.

Hinter diesen Widerständen liegen oft die Antworten, nach denen wir schon so lange suchen in unserem Leben. Sie waren immer da. Wir haben sie nur nicht sehen können.

In der Meditation habe ich das unzählige Male geübt. Und im alltäglichen Leben gibt es immer wieder Situationen, in denen es mir unendlich schwerfällt meine Widerstände anzunehmen. Hier hilft uns Geduld mit uns selbst. Außerdem brauchen wir die Präsenz, um unsere Widerstände überhaupt als solches erkennen zu können.

Innerer Frieden als Ziel der Transformation

Das Ziel meiner persönlichen Transformation ist innerer Frieden. Was ist das? Ich weiß nicht, ob das objektiv zu beschreiben ist. Viele beschreiben inneren Frieden mit Ruhe oder Gelassenheit. Das ist für mich nur ein kleiner Teil.

Für mich umfasst es unter anderem Gleichmut. Der Duden beschreibt Gleichmut als einen ruhigen, leidenschaftslosen Gemütszustand. Das klingt beim ersten Lesen extrem negativ. Leidenschaftslos klingt nach uninteressiert und gleichgültig.

Für mich steckt in dem Wort „gleichgültig“ weniger das Gefühl von „mir ist alles egal“, sondern viel mehr die Qualität „alles hat die gleiche Gültigkeit“, „alles darf sein“.

Außerdem beinhaltete Gleichmut das Wort Mut. Mich mutig dem hinzugeben, was ist. Dabei ist es egal, ob es mir willkommen ist oder ob ich Angst habe. Mut entsteht durch Angst. Es ist einfach etwas zu tun, wenn wir keine Angst fühlen, und erfordert keinerlei Mut.

Innerer Frieden beschreibt für mich ein tiefes Gefühl der Freude. Innerer Frieden eröffnet mir den Blick für die Schönheiten des Lebens. Es lässt mich die kleinen Dinge sehen. Es entsteht tiefe innere Ruhe, ohne dass es ein passives Hinnehmen ist. Es ist die aktive Hingabe ans Leben.

Authentizität und Harmonie als Ergebnis der Transformation

Stell dir vor, du kannst alles annehmen, was ist. Du kannst auch deine Ängste WIRKLICH AKZEPTIEREN. Die Angst nicht gut genug zu sein. Die Angst nicht dazuzugehören. Die Angst etwas falsch zu machen. Oder irgendeine andere Angst, die dich zurückhält und deine Energie bindet.

Stell dir vor, du musst diese Ängste nicht mehr verstecken. Du kannst sein, wer du bist und wie du bist. In dem Moment entsteht ein Gefühl der absoluten Freiheit. Du kannst einfach nur sein. Das ist genug. Du kannst authentische Beziehung ohne irgendeine Maske eingehen. Zu dir selbst und zu anderen Menschen.

Stell dir vor, du kannst deine ganz persönliche Farbe, die dich ausmacht, in die Welt geben und einen Beitrag zur Vielfalt und Buntheit unserer Welt leisten.

Ohne Ängste entwickeln sich echte Bindungen und Räume für gemeinsames Wachstum, Authentizität und Harmonie. Harmonie entsteht, wenn verschiedene Persönlichkeiten mit ihren authentischen Stärken und Schwächen miteinander harmonieren, sich ergänzen, sich verstehen und wertschätzend miteinander umgehen. Gleichzeitig gibt es in diesem Raum die Erlaubnis Dinge anzusprechen, die nicht in Ordnung sind.

Transformation in Wellen

Aktuell verläuft mein Leben in Wellen, mal scheint alles einfach und klar. Und ich fühle mich voller Freude und auf einem guten Weg. Dann kommt plötzlich wieder eine Phase der Verwirrung und Zweifel. Heute weiß ich, dass dies eine Phase des Wachstums einläutet. Dann ist es besonders wichtig zu akzeptieren und sich dem hinzugeben, was ist. Meine Ungeduld, die Unruhe und auch Unzufriedenheit auszuhalten. Meine Ängste da sein zu lassen.

Interessanterweise finden mich die Lösungen im Moment der WIRKLICHEN Akzeptanz meist wie von Geisterhand.

Das Ende der Transformation oder die Freude am Tanz

Hat die Transformation irgendwann ein Ende? Ganz ehrlich: ich weiß es nicht. Vielleicht ist es die viel beschriebene Erleuchtung, die das Ende der Suche einläutet. Es gibt spirituelle Überlieferungen wie im Yoga, die von einer Welt nach der Welt berichten, in der die persönliche Reifung auf einer anderen Ebene weitergeht.

Richtig oder falsch? Wer weiß das schon? Ist es wichtig es zu wissen? Oder gilt es auch hier unseren inneren Widerstand aufzugeben und demütig das Nichtwissen anzunehmen. Das Leben zu Tanzen, wie es uns begegnet. Und dabei die Schönheit und die Freude am Leben in uns zu spüren.

Wenn es schwer wird, wenn uns die Freude abhandenkommt, ist es immer eine gute Idee innezuhalten. Unsere Widerstände wahrzunehmen, sie anzunehmen und uns voller Vertrauen und Hingabe von der Antwort auf unsere Fragen finden lassen.