Empathie oder Kontrolle – Herausforderung Homeoffice

Feb 3, 2021

Homeoffice eine umstrittene Einrichtung

Als ich in den letzten Jahren meine Resilienz-Workshops für Mitarbeiter gehalten habe, hat in vielen der Firmen das Fehlen einer Homeoffice-Regelung für allgemeine Unzufriedenheit gesorgt. Nur in einigen wenigen Ausnahmefällen gab es für Mitarbeiter eine Ausnahmeregelung, um ein oder maximal zwei Tage in der Woche im Homeoffice zu arbeiten. Für andere galt das nur in absoluten Notfällen.

Unser Management will kein Homeoffice

„Sie glauben, wir liegen sonst nur faul auf der Coach“, war einer der Sätze, die ich immer wieder zu hören bekam. Und tatsächlich, im Gespräch mit den Führungskräften gab es einige, die genau das über ihre Mitarbeiter dachten: „Wie soll ich da wissen, ob meine Mitarbeiter wirklich etwas tun? Nein, Homeoffice ist nichts für meine Abteilung.“

Homeoffice vor Corona – ein Privileg für wenige

Im Jahr 2019 gab es tatsächlich nur in 15 % der Unternehmen feste Regelungen zu flexiblen Arbeitsmodellen. 2020 ist das nicht ganz freiwillig explosionsartig auf 76% gestiegen. (Quelle: managerSeminare)

Am 12. März 2020 gab ich meinen letzten Offline-Workshop vor dem Lockdown. Am nächsten Tag war in diesem Unternehmen ein Lasttest geplant. Man wollte wissen, ob das Netz die Belastung durch das Einwählen aller Mitarbeiter von zu Hause überhaupt standhält. Auch hier war Homeoffice bislang ein ehr seltenes Privileg. Wenige Firmen waren im März 2020 tatsächlich vorbereitet.

Workshops live aus dem Keller

Ich hatte das große Glück als Trainerin und Coach teilweise auch im Homeoffice arbeiten zu können. Ich habe Workshops, Vorträge, Coachings online und live aus meinem Keller gegeben. Interessant war, dass für den größten der Teil der Teilnehmer das Homeoffice tatsächlich eine große Entlastung bedeutet hat und mir viele nach dem ersten „Pandemie“-Schock über weniger Stress berichteten.

Weniger Stress durch mehr Homeoffice

Die größte Entlastung lag für viele im Wegfall von langen und staureichen Arbeitswegen. Dadurch haben sie zum einen Ihre Nerven geschont, als auch mehr Zeit für Hobby oder Familie übrig. Es gab auch den ein oder anderen Kollegen, der sich darüber gefreut hat endlich ungestört arbeiten zu können, ohne dass die Kollegen ständig an seinem Schreibtisch stehen.

Die eine Seite der Medaille

Was ist mit all den Mitarbeitern, die nicht freiwillig im Homeoffice sind? Diejenigen, die gar nicht die räumlichen Voraussetzungen haben, für die die Nähe zu Kollegen extrem wichtig ist oder die zusätzliche ihre Kinder zu Hause haben?  Vor allem, wenn diese in einem noch sehr betreuungsintensiven Alter sind oder Unterstützung im Homeschooling benötigen?

Angst vor Kontrollverlust scheint immer noch tief verankert

Noch immer tun sich manche Führungskräfte schwer. Wie führe ich meine Mitarbeiter im Homeoffice? Wie stelle ich sicher, dass meine Mitarbeiter tatsächlich produktiv arbeiten?

Immer wieder höre ich von Managern, die Ihre Mitarbeiter auch im Homeoffice möglichst effektiv kontrollieren wollen. Sie tun dies zum Beispiel durch unangekündigte Anrufe. Medienberichten zufolge erhalten Detekteien zahlreiche Aufträge von Unternehmen, die ihren Leuten misstrauen. „Die Zeit“ und das „Hamburger Abendblatt“ berichten, dass bei einer Frankfurter Firma angeblich bis zu 25 Kundenanfragen pro Tag für die Überwachung von Mitarbeiter eingehen.

Auch technische Lösungen wie Spy-Software, für gewöhnlich Monitoring Tools genannt (klingt besser), erfahren reißenden Absatz in der Pandemie. Ist das wirklich die Lösung in der aktuellen Situation?

Was ist denn in vielen Familien die aktuelle Situation?

Da trotz Emanzipation viele der aktuellen Auswirkungen der Krise noch immer die Frauen tragen, schreibe ich in diesem Abschnitt weiblich. Es dürfen sich gerne auch betroffene Männer angesprochen fühlen.

Es gibt viele Mitarbeiterinnen, die kein separates Büro haben, sondern in einer kleinen 3- oder 4-Zimmerwohnung mit vier oder mehr Personen leben. Bei den aktuellen Preisen bzw. Mieten in den Städten kann sich eine Führungskraft leicht ausrechnen, dass das Haus oder die Wohnung keine 240 qm groß ist und nicht jeder sein eigenes Büro mit einer verschließbaren Tür hat.

Vielleicht sitzt ihre Mitarbeiterin unter der Treppe oder im Keller, hat zwei oder drei Kinder in den unteren Klassen, die immer wieder Unterstützung in verschiedenen Fächern brauchen. Vielleicht hat sie auch ein Kindergarten- oder Krippenkind zu Hause.

Von Ihrem Mann bekommt sie aktuell keine bis wenig Unterstützung, da er selbst jeden Tag mehrere Stunden im Meeting ist, aktuell im Krankenhaus liegt, selbst im Krankenhaus arbeitet oder sich einfach nicht berufen fühlt.

Die Frage ist: „Welches Ziel verfolgt die Führungskraft?“

Laut Wikipedia ist der Zweck der Führung die Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens zur Zielerreichung. Was bewirke ich in dieser berufstätigen Mutter, wenn ich als Chefin oder Chef unerwartet einen Kontrollanruf mache? Was ist dann mein Einfluss?

Es bedeutet neben der ganzen Last, die sie bereits trägt, dass ihr zusätzlicher Stress aufgebürdet wird. Sie hat das Gefühl, ihr wird nicht vertraut. Dabei hat sich vielleicht die ganzen letzten Wochen zwischen 6:00 und 8:00 Uhr morgens, bevor die Kinder aufstehen, und von 20:00 bis 23:00 Uhr (vielleicht sogar länger) alles abgearbeitet, was tagsüber liegen geblieben ist.

Sie hat das Gefühl keine gute Mutter zu sein, da ihr langsam das Verständnis für die Wutanfälle des Jüngsten fehlen, auch wenn sie genau weiß, dass er einfach zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Sie macht sich Sorgen um die schulische Karriere ihrer Kinder und würde sie gerne mehr unterstützen.

Sie hat ebenso das Gefühl als Mitarbeiterin ihrer Rolle nicht gerecht zu werden. Wenn sie spät nachts am Rechner sitzt, passieren immer wieder Fehler oder sie ist einfach nicht so produktiv wie sonst, da ihr regelmäßig die Augen zu fallen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Ziele erreicht und effektiv arbeiten kann, sinkt von Woche zu Woche drastisch.

Damit ist das Ziel der Führung laut Wikipedia klar verfehlt.

Viele gute Tipps im Netz zum Thema Homeoffice helfen aktuell nicht weiter.

Hier die häufigsten Tipps kurz zusammengefasst.

  1. Kümmere dich um eine Nanny. Kinder bei der Arbeit gehen gar nicht. – Aktuell nicht möglich.
  2. Sorge für einen ruhigen, aufgeräumten Arbeitsplatz, an dem du optimalerweise eine Türe schließen kannst. – Dein Platz ist unter der Treppe oder am Esstisch.
  3. Erstelle einen fixen Zeitplan – Geht nur am frühen Morgen und späten Abend, wenn alle schlafen.
  4. Erstelle einen Plan für den Tag – Plan ist machbar. Nur ob der Plan umsetzbar ist, ist auf Grund der häuslichen Situation fraglich.
  5. Plane Pausen ein – Wann ist die Frage. Bei der Vielzahl von Aufgaben gefühlt schwer machbar.
  6. Bewege dich regelmäßig – Ja zwischen Home-Arbeitsplatz, Schreibtisch der Kinder, Küche und Zimmer des Jüngsten.

Welche Führung brauchen wir in der Krise und im Homeoffice?

Brauchen wir wirklich mehr Kontrolle und damit mehr Druck? Oder brauchen wir Vertrauen und Verständnis für die Situation unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?

Empathische Führung statt Kontrolle

Was die Mitarbeiterinnen in diesen Situationen brauchen, ist eine empathische Führungskraft. Eine, die wirklich zuhört, die die aktuellen Lebensumstände ihrer Mitarbeiter versteht und mitfühlt. Jemand, der seinen Mitarbeitern den Druck nimmt und versteht, dass nicht alle in einem schönen Büro in einer 240 qm Wohnung sitzen und einfach die Türe hinter sich schließen können.

Um wirklich zu verstehen wie es meinen Mitarbeitern geht, ist es hilfreich virtuelle Kaffeepausen in kleinen Gruppen einzuberufen. Wenn es besonders schwierige Situationen sind, auch im 1-zu-1, damit wir als Führungskraft wirklich erfahren, welchen Herausforderungen unsere Mitarbeiterinnen gerade gegenüberstehen und was sie neben der Arbeit beschäftigt.

Es hilft uns nichts, wenn nach dem Lockdown die Mitarbeiterin mit einem Burnout oder anderen stressinduzierten Krankheiten für längere Zeit ausfällt. Die entstehenden Kosten sind enorm.

Virtuelle Meetings effizient und mit Pausen planen

Wir brauchen Führungskräfte, die zwischen den Konferenzen Pausen einplanen und sich in den virtuellen Meetings genau überlegen, welche Mitarbeiter sind wirklich von Nöten? Was ist das Ziel des Treffens und wer kann wirklich etwas dazu beitragen? Ebenso helfen klare Kommunikationsregeln um die Effizienz eines Meetings zu steigern.

So kann ich mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich die Mitarbeiter auch in schwierigen Situationen diese Zeiten reservieren. Sie sind mit eingeschalteter Kamera ganz bei der Sache und halten nicht im Bürostuhl ein Nickerchen, weil sie sich eh nicht gebraucht fühlen oder wie auf heißen Kohlen sitzen, da ein Kind schon seit Stunden auf die Unterstützung in Mathe wartet.

Flexible Arbeitszeitmodelle statt unangekündigte Kontrollanrufe

Wie wäre es anstelle von Kontrolle durch Anrufe, Spy-Software und Detektive mit einem flexible Arbeitszeitmodelle, wenn es die Tätigkeit erlaubt. Das heißt, außer in den wichtigsten Meetings erwartet niemand, dass ich zum Beispiel zwischen 8:00 und 13:00 Uhr am Platz sitze, da ich in dieser Zeit immer wieder meine Kinder unterstützen muss.

Wichtig ist, dass es bezüglich An- und Abwesenheit klare Absprachen gibt. Das erleichtert nicht nur die Zusammenarbeit, sondern dies entspannt auch die Mitarbeiter, da sie wissen, niemand ruft unerwartet an und ist sauer, dass er nicht am Platz ist.

Ausreichende Technik und Support

In meinen Online-Workshops gibt es immer noch viele Mitarbeiter, die noch immer keine Kamera im Homeoffice zur Verfügung haben. Ich stelle immer wieder fest, dass ich viel mehr von dem Menschen während des Seminares wahrnehme, wenn seine Kamera an ist und ich nicht nur dessen Aussagen hören kann, sondern auch die Körperhaltung und Mimik sehe.

Es geht viel persönliche Information über das Wohlbefinden des Mitarbeiters verloren, wenn dieser für uns nicht sichtbar ist. Das gilt ebenso für eine gute Qualität vom Ton. Es ist anstrengend jemanden zuzuhören, wenn er schlecht oder kaum verständlich ist.

Ein guter technischer Support vom Unternehmen kann sich ebenso positiv auf das Stressempfinden der Mitarbeiter auswirken. Vor allem im Kundenkontakt sind eine funktionierende Software und Hardware eine große Erleichterung im Arbeitsalltag.

Berufe eine Jammersession ein

Es gibt heutzutage zwei Menschentypen. Die einen, die gefühlt immer Jammern, und die, die immer alles positiv formulieren. Manchmal habe ich den Eindruck, es fehlt ein gesundes Maß dazwischen.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde eine positive Formulierung in vielen Dingen äußerst hilfreich. Und es gibt Situationen, die sind einfach bescheiden, die fühlen sich nicht gut an, sie machen uns Angst oder überfordern uns, so wie die aktuelle Pandemie.

Ich finde es wichtig, dass wir diesen Gefühlen auch mal Ausdruck verleihen dürfen. Dass wir sie aushalten als Einzelperson, als Gemeinschaft und als Gesellschaft. Das Leben ist manchmal einfach kein Zuckerschlecken.

Wenn wir den Raum für unsere Sorgen, Bedenken und Ängste bekommen haben, ist es nur wichtig, dass wir nicht im „Tal der Tränen“, was übrigens am Beginn jeder Krise oder großen unerwarteten Veränderung steht, stecken bleiben. Wenn wir im Jammern festgestellt haben, wo wir aktuell stehen und wie es uns gerade wirklich geht, dürfen wir den Kopf und unseren Blick wieder heben, um einen Weg aus der Situation zu finden und losgehen.

Wichtig für eine solche Session ist ein Timeboxing. Geben Sie jedem Mitarbeiter einen festen Slot für seine Sorgen und Bedenken. Sonst kommen nur die größten Jammerer zu Wort und das sind meistens die, die eh am lautesten sind.

Beenden Sie die Session mit der Frage was die Erwartungen Ihrer Mitarbeiter sind.

  • Müssen weitere, vielleicht Einzelgespräche geführt werden?
  • Können Sie selbst etwas tun?
  • Sollten andere Mitarbeiter befragt oder andere Personen informiert oder involviert werden?
  • Vielleicht wollte er oder sie auch einfach mal Gehör finden und es muss nichts weiter unternommen werden. Das ist gar nicht so selten.

So stellen Sie sicher, dass sich auch jeder wirklich gehört fühlt.

Brauchen Sie Unterstützung?

Haben Sie das Gefühl bei Ihnen im Unternehmen läuft die Kommunikation oder die Organisation im Homeoffice nicht wirklich rund? Dann nutzen Sie die Gelegenheit mit Hilfe eines Business Coachings für die Führungskraft oder für einzelne Mitarbeiter die Situation zu entspannen, damit wir alle so gut und erfolgreich wie möglich durch die Krise kommen. Oder buchen sie den Workshop „Führung auf Distanz – iErfolgreiche Führung trotz Homeoffice und Krise“, den es auch im Online Format gibt.

Was bewirkt gelebte Empathie kurzfristig, was langfristig?

Auch wenn Ihre Mitarbeiter in der aktuellen Situation keine 100% Leistung bringen können, haben Verständnis und Maßnahmen zur Erleichterung der aktuellen Situation eine positive Auswirkung auf die aktuellen Arbeitsergebnisse haben. Wir arbeiten vielleicht weniger, dafür aber konzentrierter und entspannter, was ein besseres Ergebnis zur Folge hat.

Sie stärken die Bindung zu ihren Mitarbeitern langfristig und ermöglichen es ihm oder ihr die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten. Zum persönlichen Nutzen ihrer Angestellten und dem des Unternehmens.

Eine sehr treffende Beschreibung von Führung von Stephen R. Covey:

„Führung bedeutet, anderen so klar zu vermitteln,
wie groß ihr Wert und ihr Potential sind,
dass sie beides selbst erkennen“

Und wenn wir damit Empathie für die aktuelle Situation unserer Mitarbeiter verbinden, kann Führung auch auf Distanz und in der Krise gelingen.

Was sind Ihre Erfahrungen im Homeoffice? Was läuft gut und wo gibt es Potential? Ich freue mich über Ihre Komentare.

Es grüßt Sie herzlich,