Überleben im Homeoffice: Tipp #4 Regelmäßig abschalten

Mrz 22, 2021

Vor ein paar Wochen habe ich in einem Gespräch den Wunsch gehört: „Ich möchte endlich mal wieder abschalten.“ Heute ein eher ungebräuchlicher Begriff. In meiner Generation haben wir relaxed und heute wird gechillt. Ich kenne den Ausdruck aus meiner Kindheit von meiner Mutter. Sie sagte öfters: „Ich muss mal kurz abschalten.”

Wie oft schaltest du ab?

Heute hat das Abschalten eine zweite, vielleicht noch wichtigere Bedeutung.

Wann hast du das letzte Mal alle digitalen Medien abgeschaltet?

Keine Musik, kein Fernsehen, kein Computer, kein Tablet, kein Smartphone… vielleicht sogar kein Telefon. Wie lange schaffst du es in der Stille zu sitzen und diese auszuhalten ohne nach dem Handy oder der Fernbedienung zu greifen? Gar nicht einfach.

Je mehr wir gestresst sind, desto schwieriger fällt es uns oft diesen Zustand des Seins und der Stille auszuhalten. Menschen im Burnout stellen oft fest, dass der Lärm und die Unruhe, denen sie zu entfliehen versuchen, in ihnen ist.

Die Wissenschaft entdeckt die Stille

Erst seit kurzem ist die Neurowissenschaft dem auf der Spur, was Stille in unserem Gehirn bewirkt. Nur durch Zufall entdeckte Luciano Bernardie 2006 bei einer Studie zur psychologischen Wirkung von Musik, dass die zweiminütigen Ruhepausen zwischen den Musikstücken die Probanden stärker entspannten als es die beruhigendste Entspannungsmusik vermochte.

Dass Mediation oder ein Spaziergang in der Natur die Herzfrequenz stabilisiert, ist bereits gut nachgewiesen. Welchen Anteil daran die Stille hat, ist noch nicht wirklich bekannt. 

Der inspirierende Zustand der Selbstvergessenheit

Die Wissenschaft spricht von einem Default Mode Network. Dabei handelt es sich um einen Teil in unserem Gehirn, welcher nur aktiv wird, wenn wir tagträumen oder einfach nur da sind. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die belegen, dass dort im Hintergrund Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Das macht sich bemerkbar, wenn unvermittelt innere Bilder und Gefühle auftauchen, Ideen sprudeln, wir den rettenden Einfall haben oder Dinge plötzlich einen Sinn ergeben.

Sobald wir ein Buch oder das Handy in die Hand nehmen, geht die Aktivität dieses Netzwerkes sofort zurück.

Mein erster Selbstversuch vor vielen Jahren

Etwa ein Jahr nach meinem Klinikaufenthalt wegen meines Burnout hatte ich über zwei Monate hinweg einen seltsamen Virus, der einfach nicht weichen wollte und auch nicht bestimmbar war. Als ich bei meinem Coach war, bot sie mir zum wiederholten Mal die Einkehr in die Stille ein und hat mir ihr Gästezimmer im Souterrain in Aussicht gestellt.

Ich hatte viele Gründe, vielleicht besser Ausreden, warum ich nicht bleiben kann. Kurz gesagt, sie hat alle einen nach dem anderen erfolgreich widerlegt. Irgendwann habe ich kapituliert und bin auf unbestimmte Zeit bei ihr eingezogen.

Außer dem Buch mit 100 Seiten, vielen Bildern und wenig Text („Die essenziellen Lehren“ von Ramana Maharshi) hatte ich nichts. Ich beschloss mir meinen Lesestoff einzuteilen.

Die heilsame Wirkung von Stille

Am Anfang bin ich echt die Wände hochgegangen, dachte an die vielen tollen Bücher, die ich mir vor wenigen Tagen erst gekauft hatte und die zu Hause auf mich warteten. Ohne die Abgeschiedenheit in meinem Kellerasyl und das nicht vorhanden sein von irgendwelchen Ablenkungen hätte ich das Schweigen und das alleine sein nicht ausgehalten. Ich hatte lediglich eine Stunde Gespräch mit meinem Coach jeden Tag. Und nach vier Tagen war ich gesund und habe die Stille nicht nur um mich herum, sondern auch in mir genossen. Alle meine Kräfte sind zurückgekehrt und ich bin im Anschluss auch gesund geblieben.

Seitdem ist der Weg in die Stille bei einem Retreat mit Meditation, Schweigen und das Abschalten aller digitalen Geräte für mich wie ein regelmäßiger Reset-Button.

 

Tägliche Stille in der Meditation oder beim Spaziergang in der Natur

Um die Stille auch im Alltag für mich zu nutzen, meditiere ich täglich. Ich mache das morgens und ich nutze mein Handy als Timer oder manchmal auch für eine geführte Meditation. Mir hilft der Flugmodus, um nicht in Versuchung zu kommen morgens erst einmal einen Blick auf die neuesten Nachrichten auf WhatsApp, Emails, LinkedIn und Co zu werfen.

Eine andere Möglichkeit ist beim Spaziergang das Handy bewusst nicht mitzunehmen oder dir am Wochenende auch mal eine Zeit zu gönnen, in der du für den Rest der Welt unerreichbar bist.

Fragen und Tipps, die dich bei der Planung deiner täglichen Auszeit unterstützen

  • Suche deine Art der Mediation. Sitzen in der Stille, Trance, Spaziergang, mit der Katze chillen, mit dem Tee auf der Couch sitzen und einfach nur schauen oder was auch immer deines ist. Probiere alles aus, was dir in den Sinn kommt.
  • Wann sind für dich Tageszeiten, an denen du dir leicht eine Auszeit nehmen kannst?
  • Es hilft dir besonders am Anfang, wenn du es immer am selben Ort zur selben Zeit machst.
  • Nimm dir erst einmal kurze Auszeiten. Bei der Mediation gilt, lieber 5 Minuten täglich als einmal eine Stunde in der Woche. Ich habe auch mit 5 Minuten Meditation begonnen und das wurde mir schnell zu wenig. Das gleiche gilt für einen Spaziergang.
  • Ist dein Geist extrem unruhig? Dann kannst du eventuell Mantren nutzen oder eine geführte Mediation, um deinen Geist zu beruhigen.
  • Dranbleiben: Nutze zum Beispiel eine App, die dich beim Meditieren unterstützt. Ich habe mit Headspace begonnen. Dort wurde immer eine Meditation nach der anderen freigeschalten. Und wenn ich eine gemacht habe, habe ich einen grünen Haken bekommen. Diese Belohnung unterstützt mein System beim Dranbleiben. Stell dir die Frage wann bleibe ich gerne dran. Nach einem Jahr habe ich es nicht mehr benötigt.
  • Hier findest du auch eine kostenlose 10-minütige geführte Mediation zum Thema Pausen.
  • Oder buche eine Auszeit in einem Kloster. Zu Beginn vielleicht auch erst drei Tage. Ein gutes Einsteigerprogramm bietet mein Resilienz-Workshop auf der Fraueninsel.

Und jetzt wünsche ich dir viel Spaß beim Abschalten und Entdecken der Stille.

Herzliche Grüße,