Der innere Antreiber „Beeil dich!“ oder „Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.“

Dez 3, 2021

Die Hektik in unserem Arbeitsalltag scheint Jahr für Jahr zuzunehmen. In vielen Unternehmen hat sich die Arbeit verdichtet. Wir hetzen von Termin zu Termin und dazwischen versuchen wir alle Anfragen, die täglich über die unterschiedlichsten Kanäle auf uns einprasseln, zu beantworten.

Um die wachsende Arbeitslast irgendwie stemmen zu können, versuchen wir alle Themen so schnell wie möglich zu erledigen, und ein mancher versucht mit Multitasking dem wachsenden Berg an Aufgaben zu Leibe zu rücken.

  • Wir erledigen Telefonate während wir Autofahren, beim Einkaufen sind oder eigentlich Zeit mit unseren Kindern oder unserem Partner verbringen wollen.
  • Wir checken Mails noch bevor wir unter der Dusche stehen.
  • Wir arbeiten beim Essen, im Meeting, am Flughafen und manchmal sogar während wir Telefonieren.

Oft kommen wir mit Hektik, allerdings nicht wirklich schneller ans Ziel, wenn wir überhaupt ankommen.

Lesen Sie hier, wie Sie ihren „Beeil dich!“ Antreiber zähmen können und wie Sie zu einem für Sie gesunden Lebenstempo kommen.

Das Modell der inneren Antreiber

Die inneren Antreiber beruhen auf Glaubenssätzen, die wir so stark verinnerlicht haben, dass sie uns nicht mehr bewusst sind. Diese treiben uns von innen heraus an und bestimmen vor allem in Stresssituationen unsere Verhaltensweisen.

Das Modell der inneren Antreiber von Taibi Kahler von 1977 ist Teil der Transaktionsanalyse (TA). Diese ist eine psychologische Theorie menschlicher Persönlichkeitsstrukturen. Sie wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von Eric Berne begründet und wird ständig weiterentwickelt. Als Psychiater bezog Berne seine Theorie ursprünglich auf psychische Krankheiten und Störungen in der Kommunikation und Kooperation.

Die Beobachtungen von Kahler zeigten, dass Menschen bestimmte Verhaltensgewohnheiten gemeinsam haben und zu manchen Gewohnheiten eher neigen als zu anderen. Er fasste diese Verhaltensweisen in fünf Typen zusammen – die sogenannten inneren Antreiber.

Die fünf inneren Antreiber

Die fünf inneren Antreiber lauten:

  • Sei perfekt!
  • Mach es allen recht!
  • Beeil dich!
  • Streng dich an!
  • Sei stark! Sei vernünftig!

Der innere Antreiber „Beeil dich!“

Nach Kahler haben wir alle diese inneren Antreiber in uns. Meist ist jedoch einer von ihnen besonders stärk ausgeprägt. Hierbei spricht man auch von einem „Primärantreiber“. Menschen mit dem Primärantreiber „Beeil dich!“ nennt der Volksmund auch Hektiker bzw. Hektikerin.

Man erkennt sie häufig an ungeduldigen Gesten und der Unruhe, die sie ausstrahlen. Sie wippen beispielsweise mit den Beinen oder trommeln mit den Fingern auf der Tischplatte.

Männchen rennt mit Staubwolke
  • Sie sind dauernd in Bewegung und ständig beschäftigt.
  • Sie mache gern mehrere Dinge gleichzeitig.
  • Sie fühle sich als Motor, der Dinge voranbringt.
  • Sie dürfen keine Zeit verschwenden!

Die positive Seite des Drangs nach Schnelligkeit

Wichtig ist, dass jeder dieser inneren Antreiber auch positive Qualitäten besitzt.

Menschen mit diesem Antreiber können eine gewisse Zeit gut mit Zeitdruck umgehen, sie haben ein schnelles Arbeitstempo und eine hohe Entscheidungsfreudigkeit. Es gibt Situationen, da ist es hilfreich temporär auf diese Fähigkeiten zurückzugreifen.

Auch im Team sorgen Sie häufig für eine hohe Dynamik und Flexibilität. Sie treiben wichtige Themen und Lösungen aktiv voran.

Übertriebene Schnelligkeit sorgt für Hektik, Ungeduld und Stress

In der Übertreibung liegt wie bei jedem Antreiber die Quelle für ungesunden Stress.

Für andere Menschen sind hektische Menschen manchmal eine zusätzliche Stressquellen. Sie sind oft sehr ungeduldig im Umgang mit anderen Menschen. Sie sind ihm oder ihr oft zu langsam. Sie haben ein hohes Redetempo und unterbrechen andere gern. Gerne handeln sie unvorbereitet und es fehlt ihnen der Überblick. Zusätzlich liefern sie häufig eine geringe Arbeitsqualität.

Die Stressspirale: „Ich mache das SCHNELL noch“

Hektik lässt uns Fehler machen. So fügen wir unserem Aufgabenberg weitere Stunden hinzu, um gemachte Fehler zu beheben. Oder wir haben noch mehr Stress, da wir uns den Unmut unserer Kollegen oder Kolleginnen zuziehen, da uns ein wichtiger Abgabetermin durch die Lappen gegangen ist oder wir wichtige Dokumente nicht ausreichend durchdacht haben.

Auch für Pausen, um sich zu regenerieren, haben hektische Menschen keine Zeit. Die innere Unruhe treibt sie ständig an. „Ich hol mir SCHNELL einen Kaffee und ein Sandwich auf die Hand“ ist oft das Maximum an Pause, das sich diese Menschen gönnen. Selbst der Gang zur Toilette muss schnell erledigt werden.

Dadurch entsteht eine klassische Abwärtsspirale. Wir versuchen noch schneller zu werden. Wir sind frustriert, weil wir trotz unseres hohen Tempos das Gefühl haben nicht wirklich voranzukommen. Und irgendwann geht uns die Kraft aus. Nicht selten landen Menschen als Folge im Burnout. Das ist der Moment, in dem unser Körper die Reißleine zieht und uns zum Stillstand zwingt.

Multitasking ist nicht die Lösung

Die Wissenschaft weiß, dass Multitasking eine Illusion ist. Unser Gehirn kann nicht zwei ähnliche Aufgaben gleichzeitig erledigen. Wir können gut spazieren gehen und dabei telefonieren, aber wir können nicht Emails lesen und gleichzeitig dem Referenten lauschen. Das, was unser Gehirn tut, ist sehr schnell zwischen den beiden Aufgaben hin und her zu schalten. Zum einen kostet das Umschalten Zeit und Energie, und zum anderen ist die Fehlerquote beim Multitasking bis zu 50% höher.

Zeit ein knappes Gut?

Wie nehmen wir Zeit wahr? Erst vor kurzem fragte mich meine Tochter: „Warum vergeht die Zeit in der Schule und bei den Hausaufgaben immer so langsam? Wenn ich mit meinen Freunden spiele, verfliegt sie dann immer viel zu schnell?“

Das kennen wir alle. Unser Zeitempfinden ist relativ. In meinen ersten Meditationen waren 20 Minuten eine halbe Ewigkeit und ich konnte meine Ungeduld kaum zügeln. Wenn ich an meine Aufgabenliste denke, dann sind 20 Minuten gar nichts.

Jeder Mensch hat jeden Tag 24 Stunden Zeit. Nicht mehr und nicht weniger. Warum haben manche Menschen das Gefühl sie haben alle Zeit der Welt und andere haben immer zu wenig?

Es ist der innere Antreiber „Beeil dich!“, der uns permanent einredet, wir hätten zu wenig Zeit. Die Ursache dafür finden wir in unseren Erfahrungen als Kind. Wir sind beispielsweise immer zur Eile angetrieben worden, waren anderen Menschen zu langsam, oder wir haben Ärger bekommen, wenn wir nicht schnell genug mit unseren Aufgaben fertig waren.

Die Schnelligkeit unserer Zeit

In unserer Gesellschaf ist Zeit Geld und wir bemessen oft den Wert unserer Zeit damit, was wir geleistet, erlebt oder getan haben. Das gilt nicht nur in der Arbeit, sondern auch in der Freizeit. So gönnen wir uns oft keine wirklichen Pausen. Wir sind ständig erreichbar. Und selbst unsere kostbare freie Zeit, müssen wir „gewinnbringend“ nutzen.

Jeder, der mal in Asien war oder mit asiatischen Kollegen zusammenarbeitet, durfte erleben, dass das Verständnis von Zeit sehr unterschiedlich sein kann.

Höchste Zeit unser Verständnis von Zeit zu überdenken, um mehr Entspannung und innere Ruhe zu gewinnen.

Mit Hilfe von Resilienz zu mehr innerer Ruhe

Sicher gibt es immer wieder Situationen, da ist schnelle Handeln gefragt und ein schnelles Arbeitstempo von Vorteil. Arbeiten wir konzentriert und effizient, dann strengt uns das, in aller Regel nicht über die Maßen an.

Werden wir allerdings hektisch, dann entsteht Stress, wir werden zusehends langsamer, machen Fehler und die innere Unruhe und der Druck wächst.

Ein innerer Antreiber ist ein lang trainiertes und tief verinnerlichtes Denk- und Verhaltensmuster, welches wir nicht von heute auf morgen ablegen können. Es braucht Zeit, Geduld, einen liebevollen Umgang mit uns selbst und mit unserem inneren Antreiber.

Stärken Sie Ihre Resilienz, stärken Sie auch Ihre Fähigkeit im Umgang mit Stress und den inneren Stimmen, die uns immer wieder zur Eile treiben.

Ein resilienter Umgang mit Inneren Antreibern

Haben wir den Antreiber „Beeil dich!“ in unserem Verhalten erkannt, gilt es im ersten Schritt diesen erst einmal achtsam zu beobachten. Achtsam bedeutet aufmerksam und ohne Wertung. Das fällt uns leichter, wenn wir uns bewusst sind, dass uns dieser innere Antreiber in unserem Leben und Arbeiten auch gute Dienste leistet.

  • In welchen Situationen hilft Ihnen der Antreiber?
  • Wofür ist er aktuell gut?

Im folgenden Schritt gilt es sich in den Momenten, in denen der Antreiber uns mehr schadet als nützt, sich von ihm zu verabschieden und durch ein neues konstruktives Verhalten zu ersetzten. Hierbei helfen sogenannten Erlauber. Das sind positive Glaubensätzte, die den destruktiven Denkstrukturen der inneren Antreiber gegenüberstehen.

Streichen Sie die Worte „schnell“, „mal kurz“ oder „mal eben“ aus Ihrem Wortschatz.

Eine Übung, die mir beim Zähmen meines eigenen inneren Antreibers gut geholfen hat und es immer noch tut:

Immer dann, wenn ich mich mal wieder dabei erwische, dass ich sage „ich gehe mal schnell…“, halte ich inne und wieder hole meine Aussage: „ich gehe jetzt in aller Ruhe …“. Das mache ich innerlich oder am liebsten auch laut, je nachdem, wo ich mich gerade befinde. Damit werde ich mir meines inneren Antreibers bewusst, gebe mir selbst die Erlaubnis mein Tempo zu zügeln und ich gönne mir bewusst Zeit.

Ich nutze diese Situation, um einen Moment innezuhalten, tief durchzuatmen und mir im Anschluss für mein Vorhaben ganz bewusst Zeit zu lassen.

Wenn Sie dies eine Weile praktiziert haben, können Sie zusätzlich darauf achten, wie oft in ihrem Umfeld, diese Worte „schnell“, „mal kurz“ oder „mal eben“ genutzt werden.

Schaffen Sie sich Zeitinseln

Erlauben Sie sich täglich Inseln der Konzentration. Wir brauchen Zeitfenster, in denen wir konzentriert und ungestört arbeiten können. In denen kein Telefon klingelt. In denen wir nicht auf Mails reagieren. In denen wir nur unsere Arbeit verrichten oder in denen wir unseren Kollegen und Mitarbeiter einfach mal zuhören, ohne dass andere Dinge oder Menschen einen Teil unserer Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Zum anderen brauchen wir auch Inseln der Ruhe und Entspannung. Jeder Mitarbeiter darf dafür sorgen, dass er zur Ruhe kommt. Ein Spaziergang im Park, eine Runde um den Block, in Ruhe hinsetzen einen Kaffee trinkt und den Blick schweifen lassen. Wir dürfen Selbstfürsorge betreiben. Selbst die besten Vorsätze zur Selbstführung sind zum Scheitern verurteilt, wenn uns die notwendige Kraft dazu fehlt.

Halten Sie für ein paar Minuten inne

In dem Moment, in dem uns die innere Hektik überrollt, hilft es kurz innezuhalten und zu entschleunigen und sich bewusst zu werden, dass wir gerade in die Stressspirale eingestiegen sind. Dabei können uns die verschiedensten Techniken helfen.

  • Eine kurze Meditation. Das geht auch vor dem PC am Arbeitsplatz.
  • Bleiben Sie stehen und fühlen Sie Ihre Füße.
  • Lehnen Sie sich in ihrem Stuhl zurück schließen Sie die Augen und atmen Sie ein paarmal tief ein und wieder aus. Zählen Sie beim Einatmen langsam bis 4 und beim Ausatmen bis 8. Wenn Sie das Zählen anstrengt, lassen Sie es weg.
  • Stehen Sie auf und gehen Sie eine kurze Runde um den Block, in den Park oder nur zu einem Kollegen in den nächsten Raum.

Solche kleinen und vor allem kurze Maßnahmen sind äußerst hilfreich und leicht integrierbar, um unser Stressfass gar nicht erst voll laufen zu lassen,. Probieren Sie es aus.

Einfach öfter Nein-sagen

Menschen mit dem inneren Antreiber „Beeil dich!“ habe meist viel zu viel auf Ihrer To-Do-Liste. Ihnen fehlt es oft an der Fähigkeit den Zeitbedarf von einzelnen Aufgaben realistische abzuschätzen und zusätzlich sagen sie sagen auch nicht gerne Nein. Sie haben Angst davor etwas zu verpassen und somit nicht mehr am Puls der Zeit zu sein. Damit wächst der Aufgabenberg täglich zusehends und sorgt für noch mehr Stress.

Hier gilt es zu üben öfter mal Nein zu sagen, um künftig gesunde Grenzen zu setzen.

Entschleunigung für mehr Lebensqualität

Nutzen Sie die Kraft der Resilienz, um ein bisschen langsamer und dafür bewusster durch die Welt zu gehen. Nur so können Sie auch die kleinen Dinge am Wegesrand wahrnehmen. Außerdem danken es Ihnen die Menschen, die Ihnen Nahe stehen, wenn Sie Zeit und Geduld für sie haben. Gönnen Sie sich eine Pause und nutzen Sie Ihren inneren Antreiber, in den Situationen, in denen er Ihnen unterstützend zur Seite steht.

Viel Spaß bei der Entdeckung der Langsamkeit.

Mehr zu den inneren Antreibern finden Sie in den folgenden Artikeln: